Propan: Kein Problem in der Klebstoffindustrie
Die Brennbarkeit von natürlichen Kältemitteln lässt weiterhin viele Kälteanlagenbauer und Anlagenbetreiber vor Propan zurückschrecken. Dass das auch anders geht, zeigt das folgende Projekt, bei dem ein Klebstoffhersteller sich zwei Kälteanlagen mit R290 angeschafft hat.
R290 – ZUKUNFTSSICHERE PROZESSKÄLTE FÜR KLEBSTOFFHERSTELLER
Zum Jahreswechsel 2019/2020 entschied sich das Chemieunternehmen Kleiberit Klebstoffe GmbH aus Weingarten bei Karlsruhe, in neue zukunftssichere und umweltfreundliche Kältetechnik zu investieren. Ausschlaggebend für die Investition waren die störanfälligen Kälteanlagen im Bestand und der Wunsch nach einer langfristigen Alternative zu HFKW-Kältemitteln. Speziell die hohe Kältemittelfüllmenge des Bestandswasserkühlsatzes mit außen aufgestellten Verflüssigern war aufgrund der gestiegenen Preise für HFKW-Kältemittel langfristig ein finanzielles Risiko. Auch die Frage nach deren Verfügbarkeit in den kommenden Jahren und Umweltschutzbedenken untermauerten die Wahl einer Kälteanlage mit natürlichen Kältemitteln.
KÜNFTIG R290
Nach Beratung durch die Skadec GmbH, Waldenburg, fiel entschied sich der Chemiespezialist für R290 (Propan). Dieses natürliche Kältemittel zeichnet sich besonders durch seine hohe Energieeffizienz, niedrige Drucklage und die einfache Anlagenhandhabung im Betrieb aus. Im Vergleich zu HFO- und HFKW-Kältemitteln kommt Propan von Natur aus in der Atmosphäre vor. Es stellt damit kein Risiko für die Umwelt dar. Im Vergleich zu anderen natürlichen Kältemitteln sind R290-Wasserkühlsätze in der Anschaffung und bei den Betriebs- und Wartungskosten günstig.
ANLAGENTECHNIK
Aufgrund der individuellen Ansprüche an die neue Kältetechnik entschied sich der Klebstoffhersteller für außenaufgestellte luftgekühlte Wasserkühlsätze. Bereits in der frühen Projektphase zeigte sich, dass neben der Anlagensicherheit und der Effizienz auch maximale Flexibilität im Vordergrund stehen soll. So wurde ein erster Anlagenentwurf mit zwei getrennten Kältekreisläufen und zwei Schraubenverdichtern verworfen, da der niedrige Kälteteilastbedarf der nachgeschalteten Prozesse nur schlecht abgebildet werden konnte. Anschließend wurde in Zusammenarbeit mit Kleiberit ein Anlagenkonzept entwickelt, das alle Bedürfnisse des Klebstoffherstellers kompromisslos erfüllt. Das Konzept: Zwei Wasserkühlsätze mit 800 und 500 kW zu installieren.
WASSERKÜHLSÄTZE
Zur Bereitstellung von 800 kW Kälteleistung wurde ein luftgekühlter Wasserkühlsatz mit fünf Hubkolbenverdichtern, fünf getrennten Kältekreisläufen und 20 EC-Ventilatoren (jeweils vier pro Kältekreislauf) konzipiert. Ein Kältekreis mit Führungsverdichter wurde mit einem Frequenzumrichter ausgestattet. Zudem verfügen alle weiteren Verdichter über eine vierstufige Leistungsregelung, wodurch eine durchgängige Kühlleistung von 40 bis 800 kW möglich ist. Die zu Gunsten der Energieeffizienz groß ausgelegten luftgekühlten Microchannel-Wärmeübertrager garantieren ein Delta T < 10 K zwischen der Umgebungs- zur Verflüssigungstemperatur. Zur zusätzlichen Steigerung der Energieeffizienz verfügt der Wasserkühlsatz über eine 168 kW Wärmerückgewinnung (Vorlauftemperatur 65 °C). Eine weitere Besonderheit der Maschine stellt die systemseitige Anbindung der fünf getrennten Plattenwärmeübertrager innerhalb der Maschine durch geschweißte Edelstahlrohrleitungen dar. Der zweite R290-Wasserkühlsatz mit 500 kW Kälteleistung verfügt aus Gründen der Betriebssicherheit und der geringen Lastabnahme im Teillastbetrieb über drei getrennte Kältekreisläufe, zwölf EC-Ventilatoren und sechs Hubkolbenverdichter. Der Führungsverdichter in jedem Kältekreislauf ist frequenzgeregelt, wodurch eine stufenlose Leistungsregelung von 37 bis 500 kW möglich ist. Auch hier wurde eine Wärmerückgewinnung mit 80 kW (Vorlauftemperatur 65 °C) installiert. Die Kältemaschinen wurden jeweils auf 37 °C Umgebungstemperatur anstatt der sonst üblichen 35 °C Umgebungstemperatur ausgelegt.
STEUERUNG
Beide Kältemaschinen verfügen über eine speicherprogrammierbare Steuerung (SPS), die die individuelle Anlagenkonfiguration problemlos abbilden kann. Im Vergleich zu Kompaktreglern bietet die individuelle projektbezogene SPS-Programmierung umfangreiche Vorteile für Betreiber, Hersteller und Servicemonteure. Bei einer Kältemaschine und speziell bei Störungen an einer Anlage ist es von Vorteil, das Betriebsverhalten im Detail nachzuvollziehen. Ein intuitives Bedienkonzept ermöglicht es, Zeit beim Serviceeinsatz vor Ort zu sparen und Fehler schnell ausfindig zu machen sowie die Einstellwerte ändern zu können. Die am Schaltschrank der Maschinen angebrachten Touch-Displays visualisieren den gesamten Wasserkühlsatz mit allen Betriebswerten der einzelnen Kältekreisläufe, die abhängig vom Betriebszustand farblich hinterlegt dargestellt werden (siehe Abbildung 2). Der Benutzer wird dadurch zielgenau und schnell navigiert. Die Serviceleiter im Büro können sich auf die Anlage aus der Ferne aufschalten und sehen dabei die identische Visualisierung wie der Servicemonteur vor Ort beim Kunden, wodurch sie diesen optimal unterstützen können. Ein leistungsstarker Datenlogger auf der SPS speichert im 5- Sekundentakt mehr als 60 Prozesswerte über einen Zeitraum von über zehn Jahren. Die so erfassten Daten können durch einen auf der SPS integrierten Webserver schnell und einfach grafisch dargestellt und analysiert werden. So ist esmöglich, schon vor dem Eintreffen eines Servicemonteurs das Betriebsverhalten der Maschine zu bewerten oder mögliche Fehlerursachen einzugrenzen. Hierdurch kann die Servicezeit beim Kunden deutlich reduziert werden. Zudem können über eine VPN-Verbindung Einstellwerte einfach angepasst und Programmupdates eingespielt werden. Die Anbindung an das Internet erfolgt über LTE.
HYDRAULISCHE ANBINDUNG
Eine weitere Herausforderung stellte die Anbindung der neuen Kältetechnik an das Bestandsnetz dar. Der Anschluss erfolgte im laufenden Betrieb, was zur Folge hatte, dass nur ein kurzer Ausfall der Kälteversorgung toleriert werden konnte und auch die Platzverhältnisse dementsprechend eng waren. Zusätzlich waren Schweißarbeiten im Gebäude nur unter besonderen Auflagen möglich. Zur Lösung wurden in Zusammenarbeit mit Kleiberit zwei individuelle und kompakte Hydraulikmodule entwickelt. Diese wurden im Werk vorgefertigt und ermöglichte die Vor-Ort Installation auf ein Minimum zu reduzieren. Die Module beinhalten jeweils die Systemtrennung in Form von Plattenwärmeübertragern, redundanten Pumpengruppen für die Kälteversorgung und jeweils eine Pumpe für die Wärmerückgewinnung. Die Module wurden, wie die Hydraulik der Wasserkühlsätze, komplett in geschweißtem Chrom-Nickel-Stahl (V2A) verrohrt. Für die primärseitige Kälteversorgung umfasst das große Hydraulikmodul drei frequenzgeregelte Hocheffizienzpumpen, wobei immer zwei Pumpen 100 % Durchfluss gewährleisten und eine Pumpe als Reserve dient. Die komplette Steuerung und Regelung der einzelnen Module erfolgt über die SPS der zugehörigen Kältemaschinen. Hierdurch konnte auf zwei zusätzliche Regeleinheiten verzichtet werden.
SICHERHEITSTECHNIK
Aufgrund der Brennbarkeit von Propan (A3-Kältemittel) war eine besondere Gefährdungsbeurteilung und Risikomanagement erforderlich. So ist der Zugang zu den Kältemaschinen beschränkt und nur für unterwiesenes Personal möglich. Des Weiteren ist in jedem Wasserkühlsatz ein Propan-Gasmessfühler installiert, der über zwei Schaltstufen die Anlage spannungsfrei schaltet. Die EX-geschützten Anlagenbauteile werden über eine separate Zuleitung versorgt. Ein integrierter EX-Ventilator belüftet das Gehäuse und garantiert, dass sich kein entzündliches Gemisch bilden kann. Störungen die auftreten, werden direkt an die übergeordnete Gebäudeleittechnik weitergeleitet.
FAZIT
Die Umstellung von HFKW- zu natürlichen Kältemitteln ist immer eine Herausforderung. Doch es gibt heute fast keine Anwendung. bei der nicht mit natürlichen Kältemitteln gearbeitet werden kann. Deren Einsatz spart langfristig Geld und ist gut für die Umwelt.
BAFA-FÖRDERUNG
Bei beiden installierten Anlagen handelt es sich jeweils um separate Produktionsprozesse, die sowohl kältetechnisch als auch auf der Prozessseite nicht verbunden sind. Dadurch war es möglich, für beide Projekte jeweils separate BAFA-Förderanträge zu stellen, was sich positiv auf die Höhe der Förderung auswirkt. Die Höhe der Förderung belief sich für beide Projekte auf in Summe 108.792 € (60.167 € und 48.625 €).
Unser BAFA-Rechner hilft Ihnen bei der Berechnung Ihrer Förderung.